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Moore im Wandel
Vom Moor zum Nutzland

Unsere Reichmoore (»Niedermoore«) wurden schon sehr früh und fast vollständig als landwirtschaftliches Grünland genutzt. Grund dafür ist die altbekannte gute Verwertbarkeit ihrer Pflanzen als Viehfutter. Es waren vor allem Mönche des Zisterzienser Ordens, die diese Zusammenhänge bereits um das Jahr 1200 in Norddeutschland entdeckten.

Im Gegensatz zu den Reichmooren sind unsere extrem nährstoffarmen Regenmoore erst sehr viel später kultiviert worden. Dann aber umso intensiver. 1981 befanden sich fast zwei Drittel aller nordwestdeutschen Regenmoore in landwirtschaftlicher Nutzung! Der Rest wurde bzw. wird von der Torfindustrie (14 %) systematisch abgebaut. Zusätzlich spielte lange auch bäuerlicher Torfstich eine Rolle. Die Abtorfung schuf häufig erst die Voraussetzungen für die »kulturelle« Erschließung von Regenmooren.

Um ein Regenmoor landwirtschaftlich nutzen zu können, muss es zunächst entwässert werden. Preis der Entwässerung und der nachfolgenden Erschließung ist aber die unwiderrufliche Zerstörung des Moores. Heute ist die Erschließung und Kultivierung von Mooren bei uns glücklicherweise kein Thema mehr. Die wenigen verbliebenen Moorreste genießen weitreichenden Schutz. Wie war man aber in der Lage, in nur rund 200 Jahren unsere Moore fast vollständig durch Kultivierung zu vernichten? Welche Vorgänge und Verfahren wurden hierzu eingesetzt?

Landwirtschaftliche Moorkulturverfahren - ein kurzer Überblick

Als es noch keine wissenschaftlich-technischen Erkenntnisse zur Kultivierung von Regenmooren gab, wurden Nutzungsversuche eher intuitiv betrieben. Es fällt auf, dass besonders in Notzeiten Forderungen nach der Erschließung der Moore immer wieder neue Impulse bekamen. Doch erst die staatlich Lenkung von Moorkultivierungen im 19. Jahrhundert, das Aufgreifen wissenschaftlicher Erkenntnisse und der zunehmende Einsatz von Technik brachten den Durchbruch. 1877 wurde in Bremen mit der Moorversuchsstation sogar das erste moorkundliche Spezialinstitut der Welt gegründet. Dessen Forschungsergebnisse wurden viel beachtet und fanden rasch Eingang in Wissenschaft und Erschließungspraxis.

Entwässerung wissenschaftlich betrachtet. Ein Regenmoor im wassergesättigten Naturzustand macht eine landwirtschaftliche Nutzung aussichtslos. Jede landwirtschaftliche Moornutzung beginnt deshalb mit der Herbeiführung von geeigneten Wasserverhältnissen im Boden. Das erfolgt durch die Regulierung des Moor-Wasserhaushalts. Diese Regulierung soll letztlich Bedingungen schaffen, die für das Wachstum anspruchsvoller Kulturpflanzen geeignet sind. Solche nährstoffbedürftigen Pflanzen sind der ursprünglichen Flora der Regenmoore ja völlig fremd.

Im wassergesättigten Torfboden unberührter, wachsender Regenmoore verhalten sich die Volumen von Festsubstanz und Poren wie 5 zu 95 %. Das Porenvolumen ist dabei nur zu 2 % mit Luft und zu 93 % mit Wasser gefüllt. Für das optimale Gedeihen von Kulturpflanzen ist aber ein Porenvolumen nötig, das mit 20 % Luft und 70 % Wasser erfüllt ist. Das bedeutet gegenüber dem Ausgangszustand eine Verzehnfachung des Luftanteils im Porenvolumen. Ein Moor wird also entwässert, um dieses gewünschte Porenvolumen zu erzielen.

Das beabsichtigte Porenvolumen wird dann erreicht, wenn die Entwässerungstiefe (= Dräntiefe) 80 cm unter Bodenoberfläche beträgt. Diese Tiefe gewährleistet, dass dem Moor 1840 Kubikmeter Wasser pro Hektar entzogen werden. Dabei kommt es allerdings zu Moorsackungen, Höhenverlusten und Porenveränderungen. Sie heben bald den erzielten Gewinn an lufterfülltem Porenraum im Torf wieder auf. Dann wird eine Re-Kultivierung notwendig.

 

Die Verfahren zur Kultivierung von Regenmooren lassen sich grundsätzlich in zwei Gruppen unterteilen:

(A) Beibehaltung des gewachsenen Moorbodenprofils

Die natürlich entstandene Schichtenfolge im Torf (= Stratigraphie) bleibt bei der Kultivierung unverändert. Bekannteste Verfahren sind die Moorbrandkultur und die Deutsche Hochmoorkultur.

(B) Herstellung eines neuen, künstlichen Moorprofils

Durch Vermischung des Torfs mit Sand aus dem Mooruntergrund und durch Einbringen moorfremder Stoffe werden völlig neue Bodenprofile geschaffen. Sie werden als anthropogene, also »von Menschen hergerichtete« Böden bezeichnet. Die bekanntesten Techniken sind die früher bedeutsame Fehnkultur (Handarbeit) und moderne Sandmischkulturverfahren (Maschineneinsatz).

 

A) Beibehaltung des gewachsenen Moorbodenprofils


Moorbrandkultur

Die Moorbrandkultur ähnelt sehr der Brandrodung von Wäldern. Sie gehört zu den ältesten Kulturverfahren für Regenmoore und reicht bis in die Jungsteinzeit zurück. Im großen Maßstab fand sie im 16. Jahrhundert zunächst in den Niederlanden, später auch in Nordwestdeutschland statt. Sie ermöglichte es den Menschen, bereits nach kurzer Zeit eine nicht abgetorfe Regenmoorfläche zu bewirtschaften. Hierzu wurde die Mooroberfläche zuerst durch flache Gräben entwässert. Noch vor dem Winter erfolgte dann eine mechanische Auflockerung der Mooroberfläche, etwa durch Hacken. Im Frühjahr konnte die abgetrocknete Mooroberfläche dann in Brand gesetzt werden. Das Feuer wurde durch die vorherrschenden Windrichtungen und die nach unten zunehmende Feuchtigkeit des Moorbodens reguliert. In die noch warme Asche, ein guter Dünger, säte man dann vor allem Buchweizen und manche Getreidearten oder setzte Kartoffeln. Nach 7-10 Jahren waren dann die Bodenreserven erschöpft. Es musste bis zum nächsten Moorbrand eine 30-jährige Ruhezeit (Brache) zur Regeneration eingeschaltet werden. Trotzdem war nach einer gewissen Zeit ein Regenmoor endgültig »totgebrannt«. Nach Nutzungsaufgabe entwickelten sich solche Regenmoore zu Feucht- bzw. Moorheiden. In ihnen dominieren Zwergsträucher wie Besenheide oder Glockenheide. In Deutschland wurde die Moorbrandkultur 1923 wegen der enormen, heute kaum vorstellbaren Rauchbelästigung verboten.

Moorbrandkultur: Vorgang des Moorbrennens als Vorbereitung zur Einsaat.

Moorbrandkultur: Vorgang des Moorbrennens als Vorbereitung zur Einsaat.

© Holzstich von DEIST, ca. 1880, aus BEHRE (2008)

 

Deutsche Hochmoorkultur

Das Verfahren der Deutschen Hochmoorkultur wurde 1877 an der Preußischen Moorversuchsstation in Bremen entwickelt. Es löste danach in weiten Teilen Norddeutschlands die Moorbrandkultur ab. Nutzungsziele sind Acker- oder Grünlandwirtschaft. Auch hierbei bleibt der natürliche Schichtaufbau des Regenmoores erhalten. Das Moor wird zunächst systematisch durch Gräben entwässert (gedränt). Der Grabenabstand beträgt 20-25 Meter. Danach erfolgen

  • die Beseitigung der natürlichen Moorvegetation,
  • der Einbau unterirdischer Rohrdrainagen in den Moorparzellen,
  • ein Nachplanieren und das Fräsen der Torfoberfläche bis in 20 cm Tiefe
  • ein Aufkalken der Fläche auf pH 4.0 mit Branntkalk oder Mergel sowie
  • eine Versorgung mit Grundnährstoffen (Kali-Phosphat-Vorratsdüngung) und Kupferschlacke.

Erst die Deutsche Hochmoorkultur schuf die Voraussetzungen für eine groß angelegte, intensive Landwirtschaft und zur Einrichtung großer neuer Moorsiedlungen. Letztere werden Moorkolonien genannt. In Nordwestdeutschland entstanden so bis 1890 rund 250 Moorkolonien mit etwa 60.000 Einwohnern. Seither sind es noch wesentlich mehr geworden. Bald wurden aber auch die Grenzen der Deutschen Hochmoorkultur deutlich. Bei anhaltender Ackernutzung verschlechtern sich nämlich die Eigenschaften des Moorbodens durch Sackung, Torfschwund, Verdichtung und Luftmangel. Danach ist nur noch eine Nutzung als Dauergrünland möglich. Die letzten derartigen Kulturen in unberührtem Regenmoor wurden in Nordwestdeutschland noch zwischen 1950 und 1960 angelegt.

 

B) Herstellung eines neuen, künstlichen Moorprofils

Fehnkultur

Die Entwicklung der Fehnkultur erfolgte in den Niederlanden. Der Name »Fehn« entspricht dem niederländischen Wort veen für Moor. Ab dem 17. Jahrhundert wurde die Fehnkultur auch in Nordwestdeutschland eingesetzt. Papenburg an der Ems ist die älteste deutsche Fehnkolonie (Gründung 1633). Das Fehnkulturverfahren ist enorm arbeitsaufwendig. Es wird auch als Spatenkulturverfahren bezeichnet.

Als erstes mussten von den Siedlern mit dem Spaten schiffbare Kanäle und Seitenkanäle bis in den Sanduntergrund des Regenmoorgebiets gegraben werden. Sie dienten zur Teilentwässerung der angrenzenden Regenmoorflächen. Der dabei ausgehobene Schwarztorf wurde getrocknet, mit Kähnen abtransportiert und in Städten als Brennmaterial verkauft. Auf dem Rückweg brachten die Schiffe dann Flussschlick und organische Abfälle aus den Städten mit. Beides diente als Dünger für die zu kultivierenden Regenmoorflächen. Ausgehend von den Kanälen und Seitenkanälen wurde dann mit dem Spaten der Profilaufbau des Regenmoores Schritt um Schritt völlig verändert. Das Resultat des großen Arbeitsaufwandes waren Fehnkulturen. Den Ablauf einer solchen Verfehnung zeigt dir die folgende Abbildung. So hergerichtete Moorflächen sind zum Anbau fast aller Kulturpflanzen geeignet. Fehnkulturen altern jedoch durch Torfschwund und Verdichtung. Sie müssen dann durch Mischpflügen rekultiviert werden.

Herstellung einer Fehnkultur, ausgehend von einer vorentwässerten Regenmoorfläche (vereinfachtes Schema). Der mineralische Untergrund besteht aus Sand.

Herstellung einer Fehnkultur, ausgehend von einer vorentwässerten Regenmoorfläche (vereinfachtes Schema). Der mineralische Untergrund besteht aus Sand.

Die folgende Abbildung zeigt sozusagen im Zeitraffer die Veränderung des Landschaftsbildes nach der Kultivierung eines Regenmoores im Oldenburger Emsland. Die Verfehnung des Moores begann um 1861. Bereits 36 Jahre später, 1897, sind nur noch zwei winzige Moorfragmente zu erkennen. Der Rest des Moores ist bereits Ackerland geworden oder wird von Feuchtheiden eingenommen. 1989, 92 Jahre später, ist fast die ganze frühere Moorfläche in Ackerland umgewandelt worden. Auch die Ansiedlungen haben sich stark ausgedehnt.

Kultivierung eines Regenmoores im Zeitraffer: Hebelermeer, Oldenburger Emsland.

Kultivierung eines Regenmoores im Zeitraffer: Hebelermeer, Oldenburger Emsland.

© nach DREYER (1995) aus DIERSSEN & DIERSSEN (2001); verändert

Sandmischkulturen

Die auf Handarbeit beruhende Fehnkultur bot viele bodenkundliche und pflanzenbauliche Vorteile. Um diese Vorteile auch mit maschinellen Mitteln erreichen zu können, wurden besonders in Deutschland nach 1945 einige neue Verfahren entwickelt. Sie werden als Sandmischkultur-Verfahren bezeichnet. Motorgetriebene Maschinen reichern hierbei den Torf mit Sand aus dem Mooruntergrund an. Erst Sandmischkulturen erschlossen die Möglichkeit zur erfolgreichen Kultivierung großer, bislang nicht genutzter Moorflächen. Vor allem im deutsch-niederländischen Grenzgebiet. Bei allen Verfahren kommen spezielle Kuhl- und Besandungsmaschinen oder aber gewaltige Tiefpfluggeräte zum Einsatz. Durch Tiefpflügen werden horizontal gelagerte Torf- und Sandschichten bis in 2,4 m Tiefe in eine mehr vertikale Stellung gebracht. Die gewendeten, fast senkrecht stehenden Schollen wirken gleichzeitig entwässernd. In weiteren maschinellen Bearbeitungsschritten wird dann an der Oberfläche ein optimales Torf-Sandverhältnis zwischen 2:1 und 1:2 eingestellt. Sandmischkulturen sind gegenüber der Fehnkultur wesentlich billiger als die Spatenarbeit von Hand. Ein weiterer Vorteil ist ihre vielseitige Nutzbarkeit.

Tiefpflug zur Moorkultivierung aus dem Jahr 1948 (Konstrukteur W. Ottomeyer, Alexisdorf, Emsland). Tiefpflug »Mammut« (um 1950), Symbol der Erschließung der Emslandmoore. Rechts zwei Dampflokomobile (je 480 PS) zum Ziehen des 30 Tonnen schweren Pfluges.

Tiefpflug zur Moorkultivierung aus dem Jahr 1948 (Konstrukteur W. Ottomeyer, Alexisdorf, Emsland).

© Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 183-R74645; aus WIKIPEDIA (2011)

Tiefpflug »Mammut« (um 1950), Symbol der Erschließung der Emslandmoore. Rechts zwei Dampflokomobile (je 480 PS) zum Ziehen des 30 Tonnen schweren Pfluges.

© DIERSSEN & DIERSSEN (2001)


© expedition-moor.de