Hinter uns liegt ein kurzer geographischer Streifzug durch die Moor- und Klimagebiete der Erde. Aber kann man auch innerhalb von Europa Moorregionen voneinander unterscheiden?
Es gibt heute verschiedene Ansätze, die Moore Europas zu untergliedern und Moorregionen zuzuordnen. Ein sehr brauchbarer Ansatz geht auf den Beginn des 20. Jahrhundert zurück. Er nutzt zur Untergliederung ein hydrologisches Kriterium, nämlich die Herkunft des Wassers, das Moore speist. Du erinnerst Dich wahrscheinlich, dass die Herkunft des Wassers auch seinen Mineralgehalt bestimmt (Modul 3). Der Gehalt an gelösten Mineralstoffen wiederum ist für die Versorgung der Moore mit Pflanzennährstoffen wichtig. Nach der Herkunft des Moorwassers ergibt sich insofern eine Hauptgliederung der Moore in topogene, ombrogene und soligene Moortypen.
Die Entstehung und Verbreitung von zwei der drei vorgestellten Moortypen, nämlich der ombrogenen und soligenen Moore, weist eine klimatische Abhängigkeit auf, die markant ist. Aufgrund der Ausprägung dieser Abhängigkeit lassen sich in Europa deshalb drei geographische Hauptmoorregionen abgrenzen: eine topogene, eine ombrogene und eine soligene Moorregion.
Merkenswertes
Topogene Moore
Topogene Moore sind Grundwassermoore. Ihre Wasserversorgung ist rein topographisch bedingt (s. Modul 3). Deshalb sind solche Moore klimatisch relativ unabhängig.
Ombrogene Moore
Ombrogene Moore sind reine Regenwassermoore. Sie werden ausschließlich durch die Niederschläge gespeist (s. Modul 3). Ihre Entstehung setzt eine gewisse Höhe des Niederschlagsnettos voraus (Erklärung unter 2. Ombrogene Moorregion). Die Abhängigkeit vom Niederschlagsnetto führt zu einer geographischen Verbreitung der ombrogenen Moore, die klimatisch gebunden ist.
Soligene Moore
Soligene Moore erhalten Niederschlagswasser, das direkt auf ihre Oberfläche fällt, und Rieselwasser. Rieselwasser ist jenes Regenwasser, das von umliegenden Hängen auf mineralischem Boden herabläuft und dann die Moorfläche überrieselt (Zulaufwasser). Im Unterschied zu Regenwasser enthält Rieselwasser eine mehr oder weniger große Menge an gelösten Pflanzennährstoffen. Die Vegetation von soligenen Mooren enthält mäßig bis stark nährstoffbedürftige Pflanzen. Ähnlich den ombrogenen Mooren sind auch soligene Moore klimatisch abhängig. In diesem Fall ist es ein zu hohes Niederschlagsnetto, das ihrer Entwicklung scharfe Grenzen setzt.
Anhand der geographischen Verbreitung dieser Moortypen in Europa und der Form ihrer klimatischen Abhängigkeit lassen sich drei geographische (klimatische) Hauptmoorregionen unterscheiden:
1. Topogene Moorregion
2. Ombrogene Moorregion
3. Soligene Moorregion
1. Topogene Moorregion
Die topogene Moorregion ist die trockenste der drei Regionen! In ihr können ausschließlich Moore entstehen, die ihr Wasser aus dem Grundwasser des Mineralbodens beziehen. Solche Moore sind deshalb von den klimatischen Bedingungen weitgehend unanhängig. Darum ist ihr Vorkommen auch an keine bestimmte geographische Region gebunden: sie treten sozusagen »azonal« auf. Wie kann man dann aber eine topogene Moorregion ausweisen? Die Antwort ist einfach. Die topogene Moorregion ist »negativ gekennzeichnet«: sie ist überall dort, wo ombrogene und soligene Moore nicht vorkommen.
2. Ombrogene Moorregion
Die geographische Verbreitung von Regenwassermooren besitzt eine enge klimatische Bindung. Man kann diese Bindung auch daran erkennen, dass Regenwassermoore ihre größte Verbreitung in Meeresnähe der gemäßigten Breiten besitzen. In Mitteleuropa liegt ihr Schwerpunkt zwischen 50° und 60° nördlicher Breite. Hier profitieren sie von den regenbringenden Winden des Atlantiks und der Nordsee. Sie kennzeichnen den atlantischen Klimabereich. Ombrogenene Moore reichen aber auch weit nach Russland hinein. Dort verschiebt sich die Südgrenze ihrer Verbreitung jedoch stark nach Norden.
Erinnerst Du Dich an die klimatischen Voraussetzungen für die Entwicklung ombrogener Moore? Sie werden nachfolgend noch einmal zusammengefasst.
Merkenswertes
Zu den wichtigsten klimatischen Voraussetzungen für die Entstehung ombrogener Moore zählen
In der ombrogenen Moorregion trifft man natürlich auch topogene Moore an (Begründung: siehe Definition der topogenen Moorregion). Ebenso treten vor allem in den regenreichsten Gebieten auch soligene Einflüsse in Mooren auf, wenn das Gelände entsprechend stark geneigt ist.
Außerhalb Europas findet man ombrogene Moore in den atlantischen und ozeanischen Küstengebieten von Nordamerika, an der Pazifikküste des gemäßigten Asiens sowie in den ozeanischen Klimabereichen der Südhalbkugel. In Europa beisitzt die ombrogene Moorregion eine große Ausdehnung von Ost nach West und von Nord nach Süd. Diese weite Ausdehnung bringt bedeutende Unterschiede im Klima mit sich. Deshalb kam es innerhalb der ombrogenen Moore zur Ausbildung mehrerer Untertypen, beispielsweise:
Sie lösen einander entlang einer Ost-Westlinie ab. Die Übergänge zwischen diesen Moor-Untertypen sind dabei meist fließend. Die gedachte geographische Linie beginnt im Osten im Kontinentalklimagebiet Russlands (Wald-Regenmoore) und endet im Westen im ozeanischen Klima der Britischen Inseln (Deckenmoore).
Verschiedene ombrogene Moortypen (Schematische Schnitte) und ihre Verbreitung entlang einer geographischen Linie von Ost (NW Russland) nach West (Britische Inseln).
Verändert aus OVERBECK (1975).
In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die Regenmoore nach Osten hin zunehmend bewaldet sind. Im ozeanischen bzw. dem atlantischen Klimabereich tendieren Regenmoore hingegen zu weitgehender Baumfreiheit.
Kolkreiches Regenmoor im schon leicht kontinental getönten Klimabereich des Baltikums. Die Tendenz zur Bewaldung ist erkennbar
© HBS (1994; Endla-Moore, Männikjärveraba/Tooma, Estland)
Baumfreies Deckenmoor in den Highlands von Schottland. Im Vordergrund bachartige Erosionsrinne infolge überreicher Niederschläge.
© HBS (1993; Rannoch Moss/West Highlands, GB)
Auch in Süd-Nord-Richtung, zwischen Mitteleuropa und Nordskandinavien, treten weitere Untertypen ombrogener Moore auf. Zwei von ihnen sollen hier wenigstens erwähnt werden. In Nordskandinavien ist rein ombrotrophes Moorwachstum aus klimatischen Gründen nicht mehr möglich. Man findet hier stattdessen Mischmoore, die, strang- oder mosaikartig verteilt, auch Regenmooranteile enthalten. Zu diesen Mischmooren zählen z.B. Aapamoore (Strangmoore ) oder Palsamoore (Torfhügelmoore). Palsamoore sind bereits Vorposten des Dauerfrostbodens. Sie enthalten ganzjährig Torf-Eiskerne, die durch fortwährendes Antauen und Durchfrieren in die Höhe wachsen. Hierdurch wird die Torfdecke bis zu mehreren Metern hügelartig empor gedrückt und deshalb nur noch von Niederschlagswasser versorgt.
Subarktisches Aapamoor mit deutlicher Strangbildung. Torfstränge in diesem Fall vorwiegend mit Zwergbirken bewachsen.
© HBS (1992; südl. Kiruna, Nordschweden)
Palsamoor mit zahlreichen großen Torfhügeln an der Eismeerküste Norwegens.
© HBS (1989; Vadsø/Varangerfjord, NE Norwegen)
Iniedersächsischen Flachland (und in Schleswig-Holstein) ist von den wichtigsten Typen europäischer Regenwassermoore nur das eigentliche/echte Regenmoor oder Plateau-Regenmoor vertreten. Diesem Regenmoortyp gehören auch die beiden Projektgebiete, das Huvenhoopsmoor bei Gnarrenburg und das Lauenbrücker Moor bei Rotenburg, an. Deswegen wird nachfolgend auf eine eingehendere Beschreibung der übrigen Moortypen verzichtet.
Plateau-Regenmoor, Echtes, Eigentliches oder Klassisches Regenmoor
Aufbau. Im Idealfall uhrglasförmig aufgewölbter Regenmoortypus mit einer waldfreien Hochfläche . Wird allseits von einem Randsumpf, der Lagg genannt wird, umgeben. Die randliche, bewaldete Aufwölbung zur Hochfläche (= Randgehänge) ist oft recht steil. Sie geht zum Zentrum hin bald in die ziemlich ebene, weitgehend baumfreie Hochfläche über. Ihr verdankt dieser Regenmoortyp auch den Namen Plateau-Regenmoor.
Verbreitung. Plateau-Regenmoore sind weit verbreitet und bilden ihrerseits wieder Varianten aus. Vorkommen in Zentralirland, Teilen von England, Dänemark, Südschweden, Südfinnland, der Kaliningrad-Region von Russland und in den Baltischen Ländern (Litauen, Lettland, Estland). In weiten Teilen Mitteleuropas allerdings durch Torfabbau und »Kultivierung« sehr stark zerstört und nur noch in Resten vorhanden!
Vegetation. Der Begriff »Plateau-Regenmoor« bezieht sich nur auf dessen Gestalt. Deshalb wird dieser Moortyp nicht durch eine spezielle Zusammensetzung von Pflanzenarten gekennzeichnet. Die Vegetationszusammensetzung richtet sich vielmehr nach der geographischen Position des jeweiligen Moores. Beispielsweise ist für die Hochfläche der Plateau-Regenmoore in unserem Raum der Zwergstrauch Glockenheide (Erica tetralix) sehr kennzeichnend. In Plateau-Regenmooren der baltischen Länder fehlt die Glockenheide praktisch ganz. Sie wird hier von einem anderen Zwergstrauch, der Torfgränke (Chamaedaphne calyculata), »abgelöst«. Besonders deutliche geographisch bedingte Unterschiede finden sich in der Artenzusammensetzung der Torfmoose
3. Soligene Moorregion
Bei der topogenen Moorregion haben wir festgestellt, dass dort das Niederschlagsnetto zu gering ist, um ein rein ombrogenes Moorwachstum zu ermöglichen. Mit der soligenen Moorregion verhält es sich umgekehrt: in ihr ist das Niederschlagsnetto im Allgemeinen zu groß! Ombrogenes Moorwachstum ist in der soligenen Moorregion nur an besonderen Stellen möglich, und das nur in beschränktem Umfang.
Die soligene Moorregion enthält Gebiete mit großen klimatischen Gegensätzen. Das sollte Dich nicht verwundern. Denn sie reicht in Europa nach Norden bis in die Arktis und nach Süden bis Mittelschweden. Im Osten umfasst sie äußerst winterkalte Gebiete, im Westen an der Westküste Großbritanniens auch hochozeanisch-wintermilde Regionen. Im nördlichen Sibirien sinken die Niederschläge unter 250 mm, an der Westküste Norwegens übersteigen sie dagegen 1000 mm. Temperatur und Niederschläge variieren also sehr stark. Wie kann man aber dieser enormen Variationsbreite eine einheitliche Moorregion zuordnen? Du erinnerst Dich bestimmt, dass für die Bildung soligener Moore ein entscheidender Faktor wichtig ist. Er besteht im Zufließen von atmosphärischem Überrieselungswasser, das von Mineralböden, die das Moor umgeben, in dieses herunterläuft.
Im hochozeanischen Bereich der soligenen Region, etwa an der Westküste Norwegens oder Großbritanniens, sind die Niederschlagsmengen derart hoch, dass ein erheblicher Niederschlagsanteil von umliegenden Hängen abläuft und die Moore überrieselt. Häufig kommt es dabei sogar zu Erosionserscheinungen auf dem Moorkörper. Im nördlichsten Teil der soligenen Moorregion sinken dagegen die Niederschlagsmengen. Sie würden für ombrogenes Moorwachstum nicht mehr ausreichen. Doch die hier niedrige Temperatur setzt die Verdunstung so weit herab, dass das Niederschlagsnetto erhöht wird. So können dennoch Versumpfungen und Vermoorungen zustande kommen. Im ganz hohen Norden, wo die mittlere Jahrestemperatur unter 0 °C liegt, tritt Permafrost auf. Der dauerhaft gefrorene Boden taut dort im Sommer nur oberflächlich auf, und fördert so noch die Moorbildung. Die niedrigen Temperaturen lassen solche soligenen Moore aber nur sehr langsam wachsen.
Generell ruft Frost in den Moorböden arktischer und subarktischer Gebiete eigentümliche Wirkungen hervor. Das ist auch in Hochgebirgen der Fall. Er prägt nämlich in solchen Mooren sehr markante Oberflächenstrukturen. Diese können im Fall der Aapamoore aus langgestreckten, bultartigen Torfsträngen bestehen. Solche Moore, ihr Name stammt aus der finnischen Sprache, sind zirkumpolar verbreitet. Sie enthalten an der Oberfläche der Stränge meist auch Regenmooranteile.
Ganz besonders eigentümlich sind aber die sogenannten Palsamoore (auch: Palsmoore). Ihr Name stammt ebenfalls aus dem Finnischen. Du kannst diesen Typ soligener Moore auch Riesentorfhügelmoore nennen. Torfhügel- oder Palsamoore stellen im vom Golfstrom beeinflussten Nordeuropa Vorboten des Permafrostes dar. Wie die Aapamoore sind auch sie in höheren geographischen Breiten rund um den Nordpol verbreitet. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie ganzjährig einen Torf-Eiskern enthalten. Die neunprozentige Volumenvergrößerung des Wassers beim Gefrieren bewirkt ein Hochdrücken des Torfes zu einem Hügel. Er kann mehrere Meter hoch werden. Die stete Wiederholung von Antauen und Anfrieren neuen Wassers lässt die Torfhügel dann von Jahr zu Jahr höher werden. Die Moorvegetation an ihrer Oberfläche wird schließlich nur noch von Niederschlagswasser ernährt. Die Riesentorfhügel selbst werden von soligenem Moor umgeben.