Was hat wohl ein alter Wald mit einem wachsenden Moor gemein?
Ein Wald wäre ohne Bäume einfach nicht vorstellbar. Auch ein Moor würde ohne Moorpflanzen nicht existieren können!
In der Natur ist praktisch keine Pflanzenart so anspruchslos, dass sie wahllos an allen möglichen Orten wachsen könnte. Im Gegenteil. Viele Pflanzen sind sogar recht wählerisch. Sie bevorzugen nur ganz bestimmte Lebensräume. Besonders anspruchsvolle Pflanzenarten gibt es im Extremfall nur in einem einzigen Typ von Lebensraum, etwa einem Kalk-Zwischenmoor. Wo wählerischere Pflanzen oder gar solche Lebensraumspezialisten wachsen, können sie uns auf das Vorliegen bestimmter Eigenschaften ihres Wuchsortes hinweisen. Solche Eigenschaften sind etwa der Kalk- oder Nährstoffgehalt oder die Feuchte- und Nässesituation des Bodens. Viele Pflanzen fungieren damit gewissermaßen als Signalleuchten der Lebensraumverhältnisse! Solche Pflanzen werden Zeigerarten, Indikatorarten, manchmal auch Weiserarten genannt. Moorforscher haben sich Nährstoffzeigerarten unter den Moorpflanzen schon früh zu Nutze gemacht. Bis heute helfen sie ihnen im Gelände beispielsweise, um bestimmte ökologische Moortypen rasch unterscheiden oder identifizieren zu können.
Zur Unterscheidung der ökologischen Moortypen, beispielsweise von Armmoor und Zwischenmoor, sind Moose (Laub- und Lebermoose) als Indikatoren besonders gut geeignet. Moose besitzen keine Wurzeln zur Wasseraufnahme. Moospflanzen saugen Wasser und Nährstoffe vielmehr wie ein Schwamm über ihren ganzen Körper auf. Anspruchsvolle Moosarten der Moore können uns deshalb Informationen über die Herkunft des Wassers an der Mooroberfläche liefern. Das ermöglicht dann Rückschlüsse darauf, in welcher Menge Nährstoffe der Moorvegetation zur Verfügung stehen. Allerdings braucht man zum sicheren Bestimmen der zahlreichen Moosarten viel Erfahrung. Doch auch viele der übrigen Moorpflanzen, die nicht wie Moose, Flechten und Algen den »Niederen Pflanzen« zugeordnet werden, lassen sich gut als Helfer bei der Unterscheidung ökologischer Moortypen nutzen. Diese Pflanzen besitzen Wurzeln und im Pflanzeninneren spezialisierte Leitgefäße zum Wasser- und Nährstofftransport. Sie werden Gefäßpflanzen genannt. Vorteil der Gefäßpflanzen ist, dass sich die meisten ihrer Arten in Moorlebensräumen mit etwas Übung leichter erkennen lassen als Moose.
Pflanzen als Anzeiger für Mineralbodenwasser
Die überwiegende Mehrzahl der Moor-Gefäßpflanzen ist relativ nährstoffbedürftig. Diese Pflanzen kommen deshalb nur in solchen Moortypen vor, die von Mineralbodenwasser beeinflusst werden und deshalb mäßig bis sehr nährstoffreich sind. Unter den extrem nährstoffarmen (und sauren) Bedingungen solcher Armmooren, die nur von Regenwasser ernährt werden, würden sie dagegen verkümmern. Es gibt zwischen Regenwassermooren und den übrigen Moortypen insofern eine unsichtbare Grenze, die nährstoffbedürftigere Moorpflanzen nicht überschreiten können. Moorteile, in denen solche Nährstoffanzeiger unter den Moorpflanzen wachsen, können deshalb nicht so extrem nährstoffarm wie ein Regenwassermoor sein. Sie müssen also von Wasser ernährt werden, dass nährstoffreicher als Regenwasser ist. Diese Gruppe von Moorpflanzen wird »Mineralbodenwasser-Zeiger« (MBWZ) genannt, ein ziemlich sperriges Wort. Beispiele für solche MBWZ-Pflanzen sind das Schmalblättrige Wollgras, der Fieberklee oder das Pfeifengras.
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Verblüffende Ähnlichkeit mit viel zu groß geratenen Kleeblättern: Fieberklee (Menyanthes trifoliata) © Hans-Bert Schikora (1990; Nationalpark Store Mosse, S) |
Schön und unverwechselbar: Blütenstand des Fieberklees. © Hans-Bert Schikora (1990; Nationalpark Store Mosse, S) |
Abgetorfte und wiedervernässte Regenmoorfläche mit Schmalblättrigem Wollgras (weiße Fruchthaarschöpfe) und Pfeifengras. Im Hintergrund Moorbirkenwald auf Torf.
© Hans-Bert Schikora (1998; Hamberger Moor/Osterholz-Scharmbeck, Niedersachsen)
Im ökologischen Typ der Armoore, die ja im Extremfall ausschließlich von Regenwasser ernährt werden, fehlen also MBWZ als nährstoffbedürftigere Gefäßpflanzen. Diesen Umstand machen sich Moorforscher zu Nutze. Dort, wo andere Moortypen an Armmoore grenzen, ermöglicht er ihnen, die Grenze zwischen den Moortypen aufzuspüren. Entlang einer Linie, die oft überraschend scharf ausgeprägt ist, ändert sich nämlich die Zusammensetzung der Vegetation sprunghaft.
Mineralbodenwasserzeigergrenze (Punktierung): Charakteristischer Vegetationsumschlag an den Rändern einer Rülle im Regenmoor kennzeichnet (hier schwachen) Einfluss von nährstoffreicherem Mineralbodenwasser. Schmalblättriges Wollgras als Mineralbodenwasserzeiger (hellgrün).
© Hans-Bert Schikora (1990; Naturreservat Komosse, S)
Eindrucksvoll: Die Mineralbodenwasserzeigergrenze kennzeichnet das Nebeneinander von zwei ökologischen Moortypen. Im Hintergrund Regenwassermoor, im Vordergrund ärmere Ausprägung einer Reichmoorvegetation mit Großseggen am Unterlauf einer breiten Rülle.
© Hans-Bert Schikora (1991; Naturreservat Komosse, S)
Auf der einen Seite wachsen noch MBWZ, auf der anderen Seite dagegen ausschließlich Pflanzen der Armmoorvegetation. Diese Grenzlinie wird MBWZ-Grenze genannt. Die MBWZ zeigen durch ihr plötzliches Verschwinden an, bis wohin an der Mooroberfläche der Einfluss von nährstoffreicherem Mineralbodenwasser reicht.
In Gebieten, wo es heute noch große, recht ursprüngliche Moorflächen gibt, sind typische MBWZ-Grenzen häufig zu finden. In den Moorresten Norddeutschlands, die von Menschen stark beeinträchtigt worden sind, gibt es sie leider kaum noch.
Gibt es hochgradig spezialisierte Pflanzen im Regenwassermoor?
Regenwassermoore (»Hochmoore«) haben wir bereits als extremste, weil nährstoffärmste Untereinheit des ökologischen Moortyps der Armmoore kennen gelernt. Sie werden im Unterschied zu Zwischen- und Reichmooren ausschließlich von Niederschlagswasser ernährt. Man kann oft hören oder lesen, dass wegen der extremen Lebensbedingungen in Regenmooren nur hochgradig spezialisierte Pflanzen (und Tiere) existieren würden.
Doch diese Folgerung, so einleuchtend sie zunächst auch klingen mag, ist falsch!
Die Zusammensetzung der Regenmoorvegetation ist artenarm und gleichzeitig sehr charakteristisch. Insgesamt kommen in den Regenmooren Nord- und Mitteleuropas wenig mehr als 20 Gefäßpflanzenarten vor. Doch hoch spezialisierte Arten, die ausschließlich im Regenmoor zu finden wären, gibt es darunter nicht. Vielmehr sind alle Gefäßpflanzenarten der Regenmoore, jede für sich, auch in anderen Lebensraumtypen mit besserer Ernährungssituation anzutreffen.
Man geht heute davon aus, dass die Gefäßpflanzen der Regenmoore außerordentlich genügsam sind und sich durch eine besonders hohe »Kampfkraft« auszeichnen. Sie können sich auch unter widrigen, sehr ungünstigen Standort- und Ernährungsbedingungen noch dauerhaft behaupten. Dieses Behauptungsvermögen ist dem der übrigen Gefäßpflanzen, beispielsweise den MBWZ-Pflanzen, weit überlegen.
Eine der typischsten Gefäßpflanzen unserer Regenmoore (sowie anderer Armmoore) ist übrigens das allbekannte und ausgesprochen genügsame Heidekraut, auch Besenheide genannt.
Um die typische, artenarme Vegetation im Bult-Schlenkenmosaik eines südschwedischen Regenwassermoores zu erkunden, fahre mit der Maus über diese Abbildung und klicke auf die erscheinenden Fragezeichen.
Untersuche das Moor mit deiner Maus!
© Hans-Bert Schikora