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Tiere im Regenmoor
Wirbellose Tiere im Regenmoor

Eigentlich ist in wachsenden Regenmooren die Zahl der Pflanzen und jene größerer Tierarten sehr überschaubar. Genau auf diese Feststellung nimmt wahrscheinlich die immer noch weit verbreitete Ansicht, ein Regenmoor sei ein »allgemein artenarmer Extremlebensraum«, Bezug.

In Kapitel 1 dieses Moduls hast du bereits erfahren, dass diese Ansicht aber strenggenommen nur für Pflanzen korrekt ist. Für die Gesamtheit landlebender Tiere des Regenmoores gilt sie nicht. Es gibt nämlich einige Tiergruppen, die in erstaunlicher Individuen- und Artenfülle auf der Hochfläche eines wachsenden Regenmoores vorkommen. Es handelt sich meist um kleine und ziemlich unscheinbare Gliederfüßer, mehrheitlich Spinnentiere und Insekten. Tiere also, die viele Menschen gerne übersehen, gering schätzen oder gar als »Ungeziefer« oder »Ekeltiere« abtun. Tatsächlich sind sie aber die heimlichen Herrscher unter den Tieren des Regenmoores.

Welche Beziehung weisen diese wirbellosen Tiere zu ihrem Regenmoorlebensraum auf? Du weißt ja schon, dass man grob drei Formen einer solchen Lebensraumbindung unterscheiden kann:

  • Zönobiontie: zönobionte Arten
  • Zönophilie: zönophile Arten
  • Zönoxenie: zönoxene Arten.

Am interessantesten sind natürlich zönobionte Tierarten. Sie weisen eine besonders enge Bindung an einen bestimmten Lebensraum auf. Die Bindung ist so eng, dass sie (fast) ausschließlich in diesem Lebensraumtyp vorkommen. Die Einschränkung »fast« berücksichtigt, dass die meisten Tiere recht mobil sind. Man muss deshalb tolerieren, dass sie vorübergehend in geringer Individuenzahl auch in abweichenden Biotoptypen auftreten können.

Altes Problem und junge Lösung

Darüber, ob es wirklich zönobionte Regenmoorarten unter den wirbellosen Tieren gibt, hat man lange heftig und sehr kontrovers gestritten. Zur Zeit des Streits galten Regenmoore (»Hochmoore«) noch als einer von zwei ökologischen Moor-Haupttypen.

Übrigens: Weißt Du noch, was ökologische Moortypen sind und welche man heute unterscheidet? Schau in Modul 3 nach, wenn Du Dir nicht ganz sicher bist.

Das Problem war nämlich, dass fast alle Gliederfüßer, die man als zönobionte Regenmoorarten diskutierte, auch in abweichenden Moortypen vorkommen. Das durfte definitionsgemäß aber nicht sein. Erst nachdem man akzeptierte, dass Regenmoore gar kein eigener Moorhaupttyp sind, sondern nur eine besonders nährstoffarme Variante der Armmoore bilden, änderte sich die Situation. Inzwischen zweifelt kaum noch jemand an, dass es im modifizierten ökologischen Haupttyp »Armmoor« tatsächlich zönobionte Tierarten gibt. Es sind aber nicht sonderlich viele. Sie besiedeln selbstverständlich auch die Hochflächen von Regenmooren.

 

Zönobionte Tiere der Armmoore in Beispielen

Gliederfüßerarten mit mutmaßlich enger Bindung an Armmoore gibt es insbesondere bei den Laufkäfern, Stutzflügelkäfern, Schmetterlingen, Libellen, Zikaden und Webspinnen. Leider besitzen nur wenige dieser Arten deutsche Namen. Einige zönobionte Tagfalterarten der Armmoore hast du in dieser Lerneinheit bereits kennen gelernt.

Laufkäfer

Unter den meist räuberisch lebenden Laufkäfern ist der kleine Agonum ericeti schon früh als zönobionte Art der Regenmoore diskutiert geworden. Tatsächlich scheinen Regenmoore ihren Verbreitungsschwerpunkt zu bilden. Bei Sonnenschein kann man dort im Frühsommer Dutzende dieser flinken Käfer auf Torfmoospolstern umhereilen sehen.

Eng an Regenmoore gebunden - der agile kleine Laufkäfer Agonum ericeti (6-8 mm).

Eng an Regenmoore gebunden - der agile kleine Laufkäfer Agonum ericeti (6-8 mm).

© Hans-Bert Schikora (1990; Komosse/Ulricehamn, Südschweden)

 

Libellen

Auch einige Großlibellen gehören zu den Arten, die weitgehend an Armmoore gebunden sind. In Regenmooren entwickeln sich ihre räuberischen Larven vor allem in ständig wasserführenden Schlenken oder in Kolken. Eine der größten Arten ist die sogenannte Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeshna subarctica ). Sie erreicht Flügelspannweiten von über 10 cm.

Gelungene Libellen-Metamorphose: Soeben geschlüpfte Hochmoor-Mosaikjungfer am Kolkrand

Gelungene Libellen-Metamorphose: Soeben geschlüpfte Hochmoor-Mosaikjungfer am Kolkrand

© Hans-Bert Schikora (1996; Augstumalmoor, Kurisches Haff, Litauen)

 

Webspinnen

Webspinnen sind (nicht nur) in Armmooren allgegenwärtig. Vor allem die Fangnetzbauer unter ihnen geben sich im Morgentau leicht zu erkennen. Die meisten der zahlreichen Spinnenarten in Armmooren sind als zönophil zu werten. Erst in jüngerer Zeit sind rund 20 Webspinnenarten aus ungestörten Armmooren Nord- und Mitteleuropas als mutmaßlich zönophil gekennzeichnet worden. Von ihnen ist heute die nur 1.8-2.0 mm kleine Baldachinspinne Meioneta mossica die am besten untersuchte Art. Die bernsteinfarbene Spinne wurde erst 1993 in den südschwedischen Regenmooren Komosse und Store Mosse entdeckt. Später wurde sie auch in Armmooren Mitteleuropas gefunden, beispielsweise im Nationalpark Harz. Eine weitere zönobionte Art der Armmoore ist die auffällig fuchsrote Wolfspinne Arctosa lamperti.

In Deutschland sich heute alle Spinnenarten mit enger Bindung an Armmoore entweder vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet. Grund ist hier das enorme Zerstörungsausmaß unserer Moore. Auch in unseren beiden Projektgebieten, sie sind Regenmoorreste, braucht man nach zönobionten Gliederfüßerarten nicht mehr Ausschau zu halten.

Heimliche Herrscher im Regenmoor verraten sich ungewollt bei Morgentau: Webspinnen

Heimliche Herrscher im Regenmoor verraten sich ungewollt bei Morgentau: Webspinnen

© Hans-Bert Schikora (1994; Endla-Moore/Tooma, Estland)

 

Nur von Frühaufstehern zu entdecken: winziges, taubedecktes Netz einer Zwergspinne im Torfmoos

Nur von Frühaufstehern zu entdecken: winziges, taubedecktes Netz einer Zwergspinne im Torfmoos

© Hans-Bert Schikora (2004; Nationalpark Harz, Niedersachsen)


Bernsteinfarben, eng an Armmoore gebunden und in Deutschland vom Aussterben bedroht: die 1.8 mm kleine Baldachinspinne Meioneta mossica (Männchen).

Bernsteinfarben, eng an Armmoore gebunden und in Deutschland vom Aussterben bedroht: die 1.8 mm kleine Baldachinspinne Meioneta mossica (Männchen).

© Hans-Bert Schikora (2004; Nationalpark Harz, Niedersachsen)

 

Weibchen der Armmoor-Baldachinspinne Meioneta mossica in seinem Deckennetz (1.9 mm)

Weibchen der Armmoor-Baldachinspinne Meioneta mossica in seinem Deckennetz (1.9 mm)

© Hans-Bert Schikora (1990; Komosse/Ulricehamn, Südschweden)

 

Im Armmoor am rosafarbenen Eikokon erkennbar: Weibchen der fuchsroten Wolfspinne Arctosa lamperti (ca. 8 mm).

Im Armmoor am rosafarbenen Eikokon erkennbar: Weibchen der fuchsroten Wolfspinne Arctosa lamperti (ca. 8 mm).

© Hans-Bert Schikora (1990; Komosse/Ulricehamn, Südschweden)

 

Kaum 1.6 mm lang und im Armmoor häufig: Baldachinspinne Meioneta affinis (Weibchen)

Kaum 1.6 mm lang und im Armmoor häufig: Baldachinspinne Meioneta affinis (Weibchen)

© Hans-Bert Schikora (2004; Nationalpark Harz, Niedersachsen)


Zönophile Tiere der Armmoore in Beispielen

Fast unüberschaubar groß ist die Zahl der Gliederfüßer, die als zönophile Arten eine gewisse Vorliebe für Armmoore als Lebensraum zeigen. Deshalb sollen hier wenigstens einige markante Insekten und Webspinnen aus dieser Kategorie vorgestellt werden. Häufig handelt es sich um Arten, die Feuchtgebiete in weiterem Sinne oder Zwergstrauchheiden bewohnen. Viele von ihnen sind auch in unseren beiden Projektgebieten Huvenhoopsmoor und Lauenbrücker Moor zu finden.

Insekten

In der Randsumpfzone von Regenmooren hört man häufig den merkwürdigen »Gesang« der Sumpfschrecke. Es ist ein Geräusch, das stark an ein Fingernagelknipsen erinnert. Ihren Lebensraum im Lagg teilt die Sumpfschrecke häufig mit der Fieberklee-Eule, einem ziemlich unscheinbaren Nachtfalter. Spektakulär sehen dagegen seine Raupen aus. In Moorwäldern, zum Beispiel im Randgehänge von Regenmooren, ist der Rauschbeeren-Fleckenspanner zu Hause. Sein Name verrät die Lieblingsspeise seiner Raupen. Für einen Nachtfalter ist dieser Schmetterling erstaunlich bunt.

Auf Bulten von Regenmoorhochflächen findet man oft eine schwarz behaarte Nachtfalterraupe, die auf dem Rücken fünf Paare weißer Haarbüschel trägt. Sie ernährt sich dort von kleinen Zwergsträuchern wie Rosmarinheide, Glockenheide oder Moosbeere. Der deutsche Name des gräulichbraunen Falters, der sich aus ihr entwickelt, ist Ginster-Streckfuß.

Ihr Gesang ähnelt einem Fingernagelknipsen: Sumpfschrecke

Ihr Gesang ähnelt einem Fingernagelknipsen: Sumpfschrecke

© Hans-Bert Schikora (1990; Komosse/Ulricehamn, Südschweden)

 

Aparte Erscheinung im Randsumpf: fast erwachsene Raupe der Fieberklee-Eule

Aparte Erscheinung im Randsumpf: fast erwachsene Raupe der Fieberklee-Eule

© Hans-Bert Schikora (1990; Komosse/Ulricehamn, Südschweden)

 

Unverwechselbar: Weibchen des Rauschbeeren-Fleckenspanners, ein auffallender Nachtfalter im bewaldeten Regenmoor-Randgehänge

Unverwechselbar: Weibchen des Rauschbeeren-Fleckenspanners, ein auffallender Nachtfalter im bewaldeten Regenmoor-Randgehänge

© Hans-Bert Schikora (1989; Store Mosse/Värnamo, Südschweden)

 

Lebt in Armmooren an Zwergsträuchern: Raupe des Bürstenspinners Dicallomera fascelina. Links Früchte der Moosbeere.

Lebt in Armmooren an Zwergsträuchern: Raupe des Bürstenspinners Dicallomera fascelina. Links Früchte der Moosbeere.

© Hans-Bert Schikora (1989; Store Mosse/Värnamo, Südschweden)


Webspinnen

Die meisten der zahlreichen Webspinnenarten in Armmooren sind zönophil. Nur eine dieser Spinnen ist ausnahmsweise ziemlich bekannt. Es ist die Wasserspinne. Sie lebt unter Wasser und bezieht ihre Atemluft aus einer selbst gebauten Taucherglocke! In wachsenden Regenmooren ist sie für Kolke mit Schwingdecken sehr typisch. Aber auch in wassergefüllten alten Torfstichen zerstörter Moore kann man sie finden. Auch eine der größten Spinnenarten Mitteleuropas ist in vielen Armmooren zu Hause: die Gebänderte Jagdspinne. Sie jagt auf der Wasseroberfläche. Sie kann selbst junge Wirbeltiere wie Kaulquappen oder kleine Fische überwältigen.

Lebt unter Wasser mit Taucherglocke: Männchen der Wasserspinne. Sie ist typisch für Kolke und größere, verlandende Torfstiche (10-16 mm)

Lebt unter Wasser mit Taucherglocke: Männchen der Wasserspinne. Sie ist typisch für Kolke und größere, verlandende Torfstiche (10-16 mm)

© Hans-Bert Schikora (1998; Pietzmoor/Schneverdingen, Niedersachsen)

 

Lauert auf der Wasseroberfläche - Weibchen der Gebänderten Jagdspinne, eine der größten Spinnen Mitteleuropas (ca. 30 mm)

Lauert auf der Wasseroberfläche - Weibchen der Gebänderten Jagdspinne, eine der größten Spinnen Mitteleuropas (ca. 30 mm)

© Hans-Bert Schikora (1998; Sandhausener Moor/OHZ, Niedersachsen)

 

An den weißen Rallyestreifen leicht zu erkennen: Männchen der Gebänderten Jagdspinne beim Sonnenbad im Torfmoos

An den weißen Rallyestreifen leicht zu erkennen: Männchen der Gebänderten Jagdspinne beim Sonnenbad im Torfmoos

© Hans-Bert Schikora (2003; Sandhausener Moor/OHZ, Niedersachsen)

 

Springspinnen

Wenn es unter den Spinnen überhaupt Sympathieträger gibt, dann sind es die Springspinnen. Eine ihrer stets keck und neugierig wirkenden Arten lebt in fast allen zwergstrauchreichen Armmooren: Heliophanus dampfi. Der größte Teil zönophiler Armmoorspinnen gehört jedoch zur Familie der Zwerg- und Baldachinspinnen. Stellvertretend wird hier nur die winzige Meioneta affinis gezeigt, der die übrigen Arten ähneln.

Aufmerksamer Zwerg auf Moosbeerblatt: Springspinne Heliophanus dampfi, eine typische Art der Armmoore und Feuchtheiden (3.5 mm)

Aufmerksamer Zwerg auf Moosbeerblatt: Springspinne Heliophanus dampfi, eine typische Art der Armmoore und Feuchtheiden (3.5 mm)

© Hans-Bert Schikora (1997; Sonnenberger Moor/Nationalpark Harz, Niedersachsen)

 

Kommt häufig in Armmooren vor: Baldachinspinne Meioneta affinis (Weibchen)

Kommt häufig in Armmooren vor: Baldachinspinne Meioneta affinis (Weibchen)

© Hans-Bert Schikora (2004; Nationalpark Harz, Niedersachsen)

Kaum 1.6 mm lang und im Armmoor häufig: Baldachinspinne Meioneta affinis (Weibchen)



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