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Pflanzen im Regenmoor
Überleben im Grenzbereich

Wieso wachsen nur so wenige Arten bewurzelter Gefäßpflanzen im Regenmoor? Die Antwort auf diese Frage sollte dir eigentlich nicht mehr schwer fallen.

Was aber genau befähigt diese wenigen Pflanzenarten eigentlich dazu, unter den äußerst widrigen Bedingungen des Regenmoores zu überleben?

 

Überleben am Extremstandort

Die große Armut an pflanzenverfügbaren Nährstoffen, der dauerhaft hohe Moorwasserstand und das stark saure, sauerstoffarme Milieu sind Faktoren, die ein Vorkommen der meisten Gefäßpflanzen im Regenmoor unmöglich machen. Doch auch die besonderen physikalisch-chemischen Eigenschaften von Moorwasser und Torf sind für die meisten Gefäßpflanzen lebensfeindlich. Sie führen dazu, dass im Moorboden höhere Konzentrationen von Metallionen, etwa Mangan, in gelöster Form vorliegen und eine Giftwirkung auf Gefäßpflanzen ausüben. Unter normalen Bedingungen sind diese Metallionen im Boden wenig beweglich und daher für Pflanzen unbedenklich.

Die Regenmoorpflanzen können diese giftigen Metallionen höchstwahrscheinlich

  • ausschließen, also gar nicht erst über die Wurzel aufnehmen oder
  • unschädlich im Innern der Pflanze in gebundener Form festhalten.
  • Auch könnten ihre Zellen eine erhöhte plasmatische Resistenz gegenüber diesen Stoffen zeigen.

Wir haben schon früher dargelegt, dass die besonderen Fähigkeiten der Regenmoorpflanzen nicht pauschal als hochgradige Spezialisierung oder hochgradige Anpassung an Regenmoorbiotope aufgefasst werden können. Denn praktisch alle diese Gefäßpflanzenarten sind auch in anderen Biotoptypen anzutreffen, die eine abweichende Ernährungssituation aufweisen.

 

Ernährung am Extremstandort

Das Besondere an den Gefäßpflanzen des Regenmoores ist, dass sie unter ungünstigsten Ernährungsbedingungen (= trophisches Pessimum) ein außerordentliches Behauptungsvermögen besitzen. Es ist dem aller anderen Gefäßpflanzen deutlich überlegen. Aber auch wenn sie große Hungerkünstler sind, müssen sich auch diese Pflanzen irgendwie ernähren können. Ein besonders wichtiger, aber sehr knapper Nährstoff ist für sie Stickstoff.

Übrigens: Weißt Du noch, in welcher Größenordnung Stickstoff den Gefäßpflanzen in einem wachsenden Regenmoor zur Verfügung steht? Schau in Modul 3 nach, wenn Du Dir nicht ganz sicher bist.

Die Gefäßpflanzen eines Regenmoores sind in der Lage, sich zusätzlichen Stickstoff sowie andere Nährstoffe auf alternativen Wegen zu beschaffen. Ihre wichtigsten Strategien sind dabei

  • Symbiosen der Pflanzenwurzeln mit Pilzen (Mykorrhiza) und
  • Entomophagie.

 

Mykorrhiza (wörtlich: »Pilzwurzel«)

Als Mykorrhiza wird die Symbiose von Wurzeln bestimmter Gefäßpflanzen mit bestimmten Pilzen bezeichnet. Die Pilzfäden (Hyphen) wachsen entweder zwischen den Zellen der Wurzelrinde oder dringen in die Rindenzellen der Wurzel ein. Letzteres ist besonders bei den Heidekraut-Gewächsen (Ericaceen) unter den Regenmoorpflanzen der Fall. Zu ihnen gehören beispielsweise Glockenheide, Besenheide, Rosmarinheide und Torfgränke. Die Gefäßpflanze bezieht vom Pilz Nährstoffe, darunter Stickstoff, die dieser durch Zersetzung von totem organischem Material gewinnt. Der Pilz wiederum profitiert von Kohlenhydraten, die er der Pflanzenwurzel entzieht.

 

Entomophagie (Insektivorie; wörtlich: »Insektenfresserei«)

Einige Pflanzen haben besonders raffinierte Strategien entwickelt, um sich zusätzlichen Stickstoff zu verschaffen. Sie fangen kleine Gliederfüßer, hauptsächlich Insekten, und verdauen sie! Zu diesem Zweck sind sie mit besonderen Organen und Leimdrüsen ausgestattet. Am bekanntesten sind die Fangblätter der Sonnentauarten Gattung Drosera). Vom Glanz der stark klebrigen Sekrettröpfchen werden kleine Fluginsekten angelockt. Ist ein Insekt auf den Leim gegangen, wird es vom Fangblatt langsam umhüllt und mit Hilfe des enzymhaltigen Sekrets verdaut. Der Vorgang ist temperaturabhängig und kann einige Tage dauern. Übrig bleiben nur unverdauliche Chitinreste.

Ein ganz anderes Verfahren haben die Wasserschlauch-Arten (Gattung Utricularia) entwickelt. Sie machen unter Wasser Jagd auf Kleinkrebse und andere winzige Lebewesen. Hierzu haben sie an ihrem fadenförmigen Pflanzenkörper spezielle Fangbläschen entwickelt. Sie sind mit einer kleinen Klappe verschlossen, und in ihnen herrscht Unterdruck. Berührt ein schwimmendes Beutetier kleine Sinneshärchen, öffnet sich die Klappe schlagartig nach innen. Die Beute wird vom einströmenden Wasser in das Blaseninnere gerissen. Dort erfolgt dann die Verdauung. In Regenmooren besiedelt der Wasserschlauch gerne Freiwasserzonen von Rüllen und Randsümpfen. Er wird meist übersehen und ist deshalb wenig bekannt.

Und es gibt noch eine weitere insektivore Pflanze in Armmooren. Es ist das Gemeine Fettkraut (Gattung Pinguicula). Man findet sie ausschließlich in der Laggzone, teilweise auch auf Mineralboden am Moorrand. Sie besitzt rosettenartige Fangblätter, deren ganze Oberfläche stark klebrig ist. Sie liegen an feuchten Stellen auf dem Untergrund auf. Opfer werden hauptsächlich kleine Gliederfüßer, die viel umherlaufen. Ist Beute gefangen, rollt sich das betreffende Blatt der Länge nach etwas zusammen, und die Verdauung beginnt.

Räubert unter Wasser: Kleiner Wasserschlauch. Seine Blüten erinnern an Löwenmäulchen. Die Pfeile zeigen die fadenförmige, untergetauchte Pflanze, die spezielle Fangblasen besitzt.

Räubert unter Wasser: Kleiner Wasserschlauch. Seine Blüten erinnern an Löwenmäulchen. Die Pfeile zeigen die fadenförmige, untergetauchte Pflanze, die spezielle Fangblasen besitzt.

© Hans-Bert Schikora (1990; Koster Öarna/Karlstad, Südschweden)

 

Vorsicht, Falle: Klebblattrosette und Blütenstände des Gemeinen Fettkrauts.

Vorsicht, Falle: Klebblattrosette und Blütenstände des Gemeinen Fettkrauts.
© Hans-Bert Schikora (1988; Store Mosse/Värnamo, Südschweden)

Bis du jetzt neugierig geworden? In unseren Projektgebieten Huvenhoops Moor und Lauenbrücker Moor kannst du gleich drei Arten dieser insektenfangender Pflanzen selbst aufspüren und bewundern: Rundblättriger Sonnentau, Mittlerer Sonnentau und Wasserschlauch!



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