Bestimmt hast Du schon einmal gehört, dass es Länder auf der Erde gibt, in denen jemand gewaltsam die Herrschaft an sich gerissen hat. Oft bereichern sich solche Gewaltherrscher dann auf Kosten der Bevölkerung. Sie plündern das Land regelrecht aus. Eine solche Herrschaftsform wird »Kleptokratie« genannt. Das bedeutet soviel wie »Herrschaft der Ausplünderer« (griechisch: kleptein = stehlen, kratein = herrschen). Der entsprechende Herrscher ist ein »Kleptokrat«, also einer, der sich auf Kosten der Beherrschten bereichert. Kannst Du Dir vorstellen, dass auch in manchen Mooren Kleptokraten regieren? Sie herrschen dort mit eisener Faust. Es handelt sich Kleptokraten im Moos-Look! Es sind die Torfmoose!
Steckbrief: Torfmoose
Torfmoose bilden eine eigene Untergruppe der sogenannten Laubmoose. Alle Torfmoose gehören einer einzigen Gattung an, die den wissenschaftlichen Namen Sphagnum trägt. Der Name kommt vom ursprünglich griechischen Wort »sphagnos«. Es bedeutet im Lateinischen »wohlriechende Sippe der Moose«. Ein anderer deutscher Name für Torfmoose ist »Bleichmoose«. Er nimmt darauf Bezug, dass lufttrockene Torfmoose eine bleiche, weißlichgelbe Farbe annehmen. Weltweit gibt es vermutlich rund 200 Torfmoosarten. Von ihnen kommen fast 40 in Mitteleuropa vor. Die meisten mitteleuropäischen Arten leben in sauren, nährstoffarmen Lebensräumen - geborene Hungerkünstler also. Immer bewohnen sie Feuchtstandorte, die kalkfrei sind. Übrigens: Wenn Du von oben auf ein Torfmoosköpfchen schaust, erinnert es an eine Edelweißblüte.
Erinnert an Edelweiß: Köpfchen von Girgensohns Bleichmoos (Sphagnum girgensohnii)
© HBS (1996; Endla-Moore/Tooma Estland)
Torfmoose gehören zu den wechselfeuchten Pflanzen. Das bedeutet, dass ihr Wassergehalt immer der Feuchtesituation der Umgebung gleicht. Sie können austrocknen ohne Schaden zu nehmen. Und sie können mit Hilfe ihrer Wasserzellen rasch das 15- bis 30fache ihres Trockengewichts an Wasser aufnehmen.
Zum Vergleich: Wenn Dein Körpergewicht beispielsweise 32 kg beträgt, würdest Du nach einer solchen Wasseraufnahme maximal eine Tonne wiegen - 1000 kg!
Es gibt bei uns, von einer einzigen Ausnahme abgesehen, kein weiteres Moos, das solche speziellen Wasserzellen mit durchlöcherten Wänden besitzt. Es leuchtet ein, dass eine Landschaft, die von einem dicken Torfmoosteppich überzogen wird, an der Oberfläche viel nasser ist, als sie es normalerweise sein würde.
Bunter, wassergesättigter Torfmoosteppich im wachsenden Regenmoor mit Sonnentau und blühender Moosbeere.
© HBS (2010; Store Mosse/Värnamo, Südschweden)
Torfmoose können vielfarbig, ja regelrecht bunt sein. Du findest sie in grün, gelbgrün, olivgrün, schwärzlichgrün, braun, rotbraun, rot, purpur oder rotviolett. Torfmoose können deshalb in Armmooren einen ungemein farbenfrohen Teppich bilden . Bestimmte Arten kann man sogar an ihrer Farbe erkennen.
Typisch für Bulten im Regenmoor: Köpfchen des Torfmooses Sphagnum magellanicum.
© HBS (2010; Store Mosse/Värnamo, Südschweden)
Manche Torfmoosarten sind ausgesprochen starkwüchsig. Bei einem Moospflänzchen wurde im Experiment beispielsweise ein Zuwachs von rund 0.28 mm pro Tag gemessen. Das sind fast 6 cm in einer jährlichen Wachstumszeit von etwa sieben Monaten. Wie alle Moose sind auch Torfmoose Sporenpflanzen. Die mikroskopisch kleinen und leichten Sporen werden hauptsächlich durch den Wind verbreitet.
Einander nicht grün: Torfmoose und andere Armmoorpflanzen
Diese lächerlich schwachen und zarten Pflänzchen sollen die Herrscher der Armmoore sein? Raffgierige Kleptokraten? Diese Merkwürdigkeit sollten wir genauer ergründen.
Torfmoose besitzen in ökologischer Hinsicht eine äußerst bemerkenswerte Fähigkeit. Sie können nämlich dem Wasser Nährstoffspuren entziehen, und seien sie noch so gering. Natürliches Wasser wird dadurch beinahe so rein wie destilliertes Wasser. Für jedes Nährstoffteilchen, das die Torfmoose aus dem Wasser herausfiltern, geben sie ein Wasserstoff-Teilchen in das Wasser ab. Sie tauschen also Nährstoffteilchen gegen Wasserstoff-Teilchen aus. Die Nährstoffteilchen verwenden die Torfmoose für das eigene Wachstum. Anderen Pflanzen geben sie davon absolut nichts ab.
Du hast schon erfahren, dass Regenwasser gewöhnlich nur sehr geringe Mengen an Pflanzennährstoffen enthält. Wenn Torfmoose auch noch das Wenige dem Regenwasser entziehen, was mag da für die anderen Pflanzen im Regenmoor übrig bleiben? Etwas mehr als nichts. Das ist mit »Kleptokraten im Moos-Look« gemeint!
Mit den Wasserstoff-Teilchen, die Torfmoose gegen Nährstoffe austauschen, können die bewurzelten Moorpflanzen absolut nichts anfangen. Im Gegenteil. Die Wasserstoff-Teilchen reichern sich nämlich im Moorwasser an und lassen es stark sauer werden. Fast so sauer, wie Speiseessig. Ein hoher Säuregehalt im Boden ist aber Gift für Wurzeln der allermeisten Pflanzen. Die Pflanzen in Armmooren und Regenmooren müssen diese Säurekonzentration jedoch aushalten. Sie eint äußerste Genügsamkeit und eine sehr hohe Widerstandskraft. Torfmoose fühlen sich dagegen in saurer Umgebung sehr wohl und gedeihen prächtig. Als ob sie Alleinherrscher wären, verändern Torfmoose also die Eigenschaften des Moorlebensraumes ausschließlich zu ihren Gunsten. Nur noch eine Handvoll bewurzelter Pflanzenarten kann die neuen, extrem nährstoffarmen und stark sauren Lebensbedingungen aushalten!