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Niedersachsen - Land der Moore!
Das Land der Moore und seine Moortypen

Vielleicht hast Du Dich schon gewundert, dass im Zusammenhang mit den Mooren Niedersachsens die Moorflächen bis jetzt nur pauschal als »Moor« vorgestellt wurden. Die Frage blieb offen, welche Moortypen denn in unserem Bezugsraum, dem Tiefland von Niedersachsen, überhaupt vorkamen beziehungsweise heute noch vorhanden sind. Die folgende Abbildung zeigt Dir die einstige Verbreitung der Moore zwischen Ems und Weser. Du kannst dir die Region einmal genauer ansehen, indem du mit der Maus über die verschiedenen Landschaftstypen fährst.

Verändert aus SUCCOW & JESCHKE (1990).

Was mag aus den riesigen Regenmoorflächen der Weser-Emsregion heute wohl geworden sein? Diese Frage sollten wir am Beispiel von zwei Regenmooren aus dieser Region, die besonders interessant sind, kurz beleuchten. Wie wäre es mit dem »schwimmenden Moor von Sehestedt« und der »Esterweger Dose«?

 

Das Moor von Sehestedt

Das Moor von Sehestedt liegt auf der Südostseite des Jadebusens ( A). Es hat unter den Bezeichnungen »schwimmendes Moor von Sehestedt« oder »Sehestedter Außendeichsmoor« eine ungewöhnliche Berühmtheit erlangt. Dabei ist es doch nur der winzige Überrest eines Regenmoores im Schwemmland der Weser, das früher einmal sehr groß war. Es hatte noch im 16. Jahrhundert eine Nord-Südausdehnung von fast 20 Kilometern. Die maximale Breite betrug gut 10 Kilometer. Seine Entstehung wird auf etwa 1300 v. Chr. datiert. 1721 wurde ein Deich durch dieses Moor gebaut, um das Hinterland vor den Nordseesturmfluten zu schützen. Anschließend erfolgte die Kultivierung des nun binnendeichs gelegenen Moorlandes. Heute befinden sich dort Weiden, Äcker und Siedlungen.

Ein kleiner Teil des Moores wurde damals durch die errichtete Deichlinie abgetrennt. Er liegt bis heute auf der Seeseite vor dem Deich (außendeichs). Deshalb wird dieser Moorrest bei jeder höheren Sturmflut von den Nordseewellen angegriffen. Dabei bricht die sturmgepeitschte See an der Brandungskante des Moores oft gewaltige Torfstücke heraus. Der Moorrest wird durch die Sturmfluten also stetig zerstört. Er war um das Jahr 1800 noch 100 Hektar groß. Das entspricht 1 km² oder der Fläche von rund 140 Fußballplätzen. Im Jahr 2003 betrug seine Größe nur noch 9.6 Hektar (13.4 Fußballfelder). Die Gesamtmächtigkeit liegt bei 4.2 Meter. Es ist das einzige Außendeichsmoor Europas. Aber wieso wird es »schwimmendes Moor« genannt?

Wenn die Sturmfluten eine Höhe von 2,5 m über dem mittleren Hochwasser erreichen, beginnt die leichtere obere Torfschicht des Moorrestes auf den Meereswellen aufzuschwimmen. Das Moor klappt zur Seeseite hin mitsamt seinen Bäumen und Sträuchern regelrecht hoch! Dieses Aufschwimmen verhindert, dass die Mooroberfläche vom Salzwasser überflutet wird. Das Phänomen des Aufschwimmens war in den Mooren des südlichen Nordseeraums vor Beginn der Eindeichungsmaßnahmen weit verbreitet. Heute ist es jedoch einmalig: Du kannst es nur noch im Moor von Sehestedt bewundern.

Im Sehestedter Moor sind auf offenen Flächen noch fast alle kennzeichnenden Regenmoorpflanzen vorhanden. Doch Torfbildung findet seit langem nicht mehr statt. Das Außendeichsmoor ist seit 1938 Naturschutzgebiet. Damit das Aufschwimmen des Moorrestes bei Sturmfluten erhalten bleibt, wird das Moor an seiner Seeseite aber nicht künstlich geschützt. Man toleriert insofern, dass Naturkräfte das Moor langsam zerstören. Berechnungen zeigen inzwischen, dass dieses einzigartige Moor deutlich länger erhalten bleiben wird als bisher vorausgesagt wurde. Der Torfschwund durch das stürmische Meer hat sich offenbar verlangsamt.

 

Das »Schwimmende Moor« von Sehestedt, ein beim Deichbau abgetrennter (ausgedeichter) Rest eines einstigen Regenmoores. Bei jeder höheren Sturmflut schwimmt der Moorrest auf, und Teile des Torflagers werden von den Nordseewellen herausgebrochen und weggeschwemmt

Das »Schwimmende Moor« von Sehestedt, ein beim Deichbau abgetrennter (ausgedeichter) Rest eines einstigen Regenmoores. Bei jeder höheren Sturmflut schwimmt der Moorrest auf, und Teile des Torflagers werden von den Nordseewellen herausgebrochen und weggeschwemmt.

© HBS (30.01.1993; Sehestedt, Niedersachsen)

 

Die Esterweger Dose

»Dose«, was für ein komischer Name für ein Moorgebiet! Mit »Dose« oder »Duss« wurde früher in Nordwestdeutschland ein »weiches, leichtes Moor« bezeichnet. »Weich« könnte dabei mit den Torfmoosdecken eines Regenmoores in Verbindung stehen, die die Fortbewegung sehr erschweren. »Leicht« bezieht sich möglicherweise auf den wenig zersetzten Weißtorf. Weißtorf besitzt nämlich nach völliger Austrocknung nur noch etwa 3-5 % seines Frischgewichts. Er ist dann in der Tat sehr leicht geworden. Es gibt in Norddeutschland auch noch andere Moore, die ähnlich heißen, etwa die Tinner Dose, die Ermker Dose oder das Dosenmoor.

Du findest die Esterweger Dose in der Animation unter der Kennzeichnung B. Sie liegt in der Niederung der Flüsse Hunte und Leda zwischen Oldenburg und Papenburg (Ems). Bis zum Jahr 1959 war die Esterweger Dose das größte zusammenhängende Regenmoorgebiet in Mitteleuropa! Es bedeckte ursprünglich eine Fläche von 110 km². Die Torfmächtigkeiten betrugen im Zentrum der Esterweger Dose bis zu 13 Meter. An den Rändern waren es immer noch 5-6 Meter. Wie viele Deiner Freunde oder Freundinnen hätten theoretisch wohl auf Deine Schultern steigen müssen, um die damalige Mooroberfläche zu erreichen?

Ein lebendes, noch wachsendes Reststück dieses riesigen Regenmoorgebietes stand bis 1959 unter Naturschutz. Es war damals das einzige geschützte Moor im niedersächsischen Tiefland und hatte internationale Bedeutung. Dieser Moorrest wurde ringsum aber bereits von Torfabbauflächen umgeben. Heute dient das Schicksal der Esterweger Dose als trauriges Beispiel für die damals noch recht ohnmächtige Position des Naturschutzes gegenüber wirtschaftlichen Interessen.

Der Status als Naturschutzgebiet wurde 1959 nämlich offiziell aufgehoben. Anschließend wurde die Fläche der Torfindustrie zur Abtorfung zur Verfügung gestellt. Es gab viele nationale und internationale Appelle, die dies zu verhindern suchten. Dennoch begann ab 1963 die Entwässerung des Moorrestes, der bis dahin nachweislich noch »lebte«. Die letzte Fläche mit einer Größe von rund 1.4 km² wurde Ende 1970 durch Gräben drainiert. Sie enthielt als Besonderheit sogar noch einige Kolke. 1976 war das letzte Überbleibsel der Esterweger Dose dann endgültig zerstört!

Dort, wo damals das Naturschutzgebiet lag, erstreckt sich heute ein riesiges, geradezu unvorstellbar großes Gebiet, in dem das Torflager der Esterweger Dose (und benachbarter entwässerter Regenmoore) mit speziellen Maschinen abgebaut wird. Die Genehmigungen zur industriellen Torfgewinnung in diesem Gebiet laufen teilweise noch bis zum Jahr 2036.

Heute, viel zu spät, steht Moorschutz ganz oben auf den Zielsetzungen des staatlichen Naturschutzes. Doch die damaligen Versäumnisse sind nicht mehr aufzuholen. Auch Wissenschaftler sind sich einig, dass es kein Zurück zu einer wie auch immer gearteten früheren Natur geben kann, die nur noch in der Vorstellung existiert! So hat die Niedersächsische Landesregierung 2005 auf den degradierten Regenmoorflächen ein neues Naturschutzgebiet »Esterweger Dose« ausgewiesen. Wenn der Torfabbau auf diesen jetzt geschützten Flächen beendet sein wird, stehen insgesamt 4.700 ha (47 km²) abgetorfte Regenmoorfläche für eine Renaturierung zur Verfügung.

Es kommt bei dem Versuch einer »Renaturierung« von abgetorften Mooren darauf an, den Wasserhaushalt dieser Flächen den ursprünglichen Verhältnissen entsprechend anzupassen (»Wiedervernässung«). Jedenfalls soweit das irgendwie möglich ist. Bestimmte Teilflächen der Esterweger Dose wurden inzwischen bereits wiedervernässt. Wichtigstes Ziel dieser Bemühungen sollte sein, die eigenständige Neuentwicklung eines Moorökosystems zu ermöglichen, das irgendwann wieder Torf speichert. Ob sich durch die aufwendigen technischen Renaturierungsmaßnahmen in ferner Zukunft aber je wieder wachsende Regenmoore entwickeln werden, bleibt ungewiss. Du dürftest es jedenfalls nicht mehr erleben.

Das Naturschutzgebiet Esterweger Dose im Jahr 1958. Letzter noch wachsender Überrest des einst größten zusammenhängenden Regenmoorkomplexes in Mitteleuropa. Im Vorderung Kolkrand mit Torfmoosen, Moorlilien, Wollgräsern und Besenheide

Das Naturschutzgebiet Esterweger Dose im Jahr 1958. Letzter noch wachsender Überrest des einst größten zusammenhängenden Regenmoorkomplexes in Mitteleuropa. Im Vorderung Kolkrand mit Torfmoosen, Moorlilien, Wollgräsern und Besenheide.

© Archivbild E. BURRICHTER (1958) aus POTT (1996)

In etwa damaliger Standort des Naturschutzgebiets Esterweger Dose im Jahr 2000. Heute Torfabbaugebiet. Gewitterstimmung, im Hintergrund Längswellen-Sendeanlage der Marine

In etwa damaliger Standort des Naturschutzgebiets Esterweger Dose im Jahr 2000. Heute Torfabbaugebiet. Gewitterstimmung, im Hintergrund Längswellen-Sendeanlage der Marine.

© HBS (2000; Esterweger Dose/Papenburg, Niedersachsen)



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