Wir Menschen sind schon komisch. Zuerst konnten unsere Vorfahren Regenmoore nicht schnell genug beseitigen. Heute versuchen wir Nachkommen verzweifelt, gestörte Moorreste mit großem Aufwand wieder zum Wachsen anzuregen. Wie passt das nur zusammen? Der Grund dafür ist, dass sich unsere Einstellung gegenüber Mooren sehr stark verändert hat.
Damals. Noch vor 100 Jahren waren die riesigen Regenmoore in den Augen der meisten Menschen nur unnützes Land. Land, das man nicht nutzen konnte. Denn sie taugten weder als Acker- und Siedlungsflächen noch als Viehweiden. Auch ein Aufforsten war nicht möglich. Allenfalls Torf konnte man dort abbauen. Das einzige, wozu ein Regenmoor wirklich nütze schien, war seine Umwandlung in Kulturland. Besonders in Notzeiten, in denen es zum Beispiel zu wenig zu essen gab, forderten viele Menschen die Kultivierung der großen Moore. Die Moorforschung steckte damals, als die Kultivierung der Moore dann tatsächlich möglich wurde, noch in den Kinderschuhen. So waren viele wichtige Dinge zur Bedeutung der Moore, die du in den Lerneinheiten erfahren hast, seinerzeit kaum oder noch gar nicht bekannt. Vor allen Dingen hatten Natur- oder Moorschutz damals nur eine ohnmächtige Position.
Heute. In den letzten Jahrzehnten hat die Moorforschung große Fortschritte erzielt. Dabei wurde immer klarer, dass man in der Vergangenheit mit der Zerstörung der Moore große Fehler gemacht hat. Vor allem sind die üblen Folgen der Moorzerstörung deutlich geworden. Regenmoore sind nämlich keinesfalls »Unland«. Ganz im Gegenteil. Vor allem wachsende Regenmoore sind außerordentlich wichtig im großen Räderwerk der Natur. Moore haben sogar für unser Weltklima Bedeutung! Darüber kannst du in Modul 8 mehr erfahren.
Regenmoore sind also ein außerordentlich wertvoller Lebensraum. An dieser Erkenntnis zweifelt heute niemand mehr. Vor allem für den Naturschutz sind die letzten lebenden Moore heute so kostbar wie Juwelen. Unsere Einstellung gegenüber Mooren hat sich also stark geändert.
Kostbares Juwel Moor -Kolke auf der Regenmoor-Hochfläche in Estland
© Hans-Bert Schikora (1994; Endla-Moore/Tooma, Estland)
Leider kam sie aber für die meisten unserer Moore zu spät. Sie sind schon längst zerstört und zu Kulturland geworden. Doch man versucht, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Man hat beispielsweise Moorschutzgesetze erlassen. Übriggebliebene Moorreste, die noch »naturnah« sind, wurden unter Schutz gestellt. Schützen bedeutet auch, sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen, um kränkelnde Moorreste wieder zum Wachsen und zur Torfbildung anzuregen. Häufig wird versucht, Gräben abzudämmen und ausgetrocknete Moore wiederzuvernässen. Auch aufgewachsene Bäume werden entfernt.
Ob es aber gelingen wird, »halb tote« Regenmoore wieder zum Wachsen zu bringen, kann heute niemand mit Sicherheit sagen. Manche Moorforscher bezweifeln, dass man ein gestörtes Regenmoor so ähnlich reparieren kann, wie etwa ein defektes Auto. Vielleicht sind wir in hundert Jahren klüger. Erst dann könnte man sehen, ob nennenswerte Mengen von neuem Torf gebildet worden sind.