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Ein Armmoor entsteht
Moos legt los

Kleine Rückblende:

Wie Du nun weißt, entsteht jedes Moor durch Verlandung eines Sees oder durch Versumpfung eines Landschaftsteils. Das neu entstandene Moor wird anfangs vom Grundwasser versorgt. Der Moorwasserspiegel entspricht also dem Grundwasserspiegel. Grundwasser ist meistens mehr oder weniger nährstoffreich. Das neu entstandene Moor gehört daher zum ökologischen Typ der Reichmoore.

Übrigens: Erinnerst Du noch, welche anderen ökologischen Moortypen es gibt? Schau einfach in Modul 3 nach, wenn Du Dir nicht ganz sicher bist.

Dieses Reichmoor lagert im Lauf der Zeit Torf ab. Solange die Torfschicht des Reichmoores nicht zu dick geworden ist, leiden die Moorpflanzen keinen Hunger. Sie wurzeln ja direkt im Grundwasserbereich. Deshalb können sich die torfbildenden Pflanzen lange Zeit problemlos mit Nährstoffen versorgen. Das muss aber nicht immer so bleiben!

Wieso nicht, soll Dir ein Beispiel zeigen. Möglicherweise hast Du vergleichbares ja auch schon selbst erlebt:

Die letzten Äpfel am Baum hängen einfach zu hoch. So sehr Du Dich auch reckst und streckst, es ist vergebens. Auch hochspringen nutzt wenig. Hierdurch kannst Du zwar den einen oder anderen Apfel gerade eben berühren. Zu fassen bekommst Du ihn jedoch nicht.

Nicht reich, nicht arm: Moor im Wandel.

So ähnlich dürfte es den Moorpflanzen in einem Reichmoor ergehen, wenn das Torflager im Lauf der Zeit zu dick geworden ist. Der Moorwasserspiegel liegt jetzt deutlich unterhalb der Pflanzen. So sehr manche Moorpflanzen ihre Wurzeln auch strecken, sie sind nun zu kurz, um an das nährstoffreiche Wasser zu gelangen. Nur noch die Pflanzen mit den längsten Wurzeln haben kaum Versorgungsprobleme.

Natürlich ist der Torf über dem Moorwasserspiegel nicht etwa trocken. Grundwasser steigt von unten immer auch im Torf hoch, etwa wie das Wachs in einem Kerzendocht. Doch ein Teil der Nährstoffe, die in diesem Wasser enthalten sind, bleibt in der Torfmasse hängen und wird festgehalten. Deshalb kommen bei den Moorpflanzen desto weniger Nährstoffe an, je dicker die Torfschicht wird. Vor allem anspruchsvolle Pflanzen mit kürzeren Wurzeln beginnen zu kränkeln und verkümmern. Aus dem Reichmoor beginnt ein Zwischenmoor zu werden. Es ist jetzt nicht mehr richtig nährstoffreich, aber auch noch nicht ganz nährstoffarm. Es befindet sich sozusagen auf der Schwelle zwischen Reich und Arm (Abbildung Mitte).

 Entwicklungsschema eines Verlandungsmoores vom Reichmoor zum Armmoor. Blaue Pfeile und Linien kennzeichnen den Moorwasserstand, der dem Grundwasserspiegel entspricht.

Entwicklungsschema eines Verlandungsmoores vom Reichmoor zum Armmoor. Blaue Pfeile und Linien kennzeichnen den Moorwasserstand, der dem Grundwasserspiegel entspricht.

Pflanzenskizzen veränd. aus SUCCOW & JESCHKE (1990)

Die Moorvegetation wandelt sich ab jetzt immer deutlicher. Anspruchsvollste, nährstoffhungrige Pflanzen wie Schilf oder Rohrkolben verschwinden vollständig. Andere Arten überleben, so beispielsweise die Seggen. Sie können eine zeitlang auch mit einem geringeren Nährstoffangebot auskommen. Als Ersatz für die verschwundenen Pflanzen wandern langsam neue Arten ein. Darunter sind erste Hungerkünstler, vor allem Torfmoose.

Moos legt los.

Wenn die Bedingungen günstig sind, können sich die Torfmoose stark ausbreiten. Schließlich bilden sie eine Moosdecke, die fast geschlossen ist. Aus ihr ragen die anderen Pflanzen dann heraus. Die Moosdecke kann pro Jahr 10 cm oder mehr in die Höhe wachsen. Wollen sie nicht von der Moosdecke überwuchert werden, müssen sich die übrigen Moorpflanzen mit den Torfmoosen auf einen Wettlauf im Wachstum einlassen. Verlierer sind dann alle Pflanzenarten, die nicht so rasch wie Torfmoose in die Höhe wachsen können. Torfmoose sind also unter bestimmten Bedingungen sehr durchsetzungsfähig. Doch warum eigentlich?

Jährliches Höhenwachstum zweier Armmoorpflanzen im »Wettlauf« mit der Torfmoosschicht (grüne Pfeile), in die sie eingebettet sind. Links Rasen-Haarsimse, rechts Rundblättriger Sonnentau. Wurzeln und Blätter sind fortgelassen.

Jährliches Höhenwachstum zweier Armmoorpflanzen im »Wettlauf« mit der Torfmoosschicht (grüne Pfeile), in die sie eingebettet sind. Links Rasen-Haarsimse, rechts Rundblättriger Sonnentau. Wurzeln und Blätter sind fortgelassen.

kombiniert u. veränd. aus OVERBECK (1975: 270)

Torfmoose besitzen viele erstaunliche Eigenschaften:

Meister der Genügsamkeit. Manche Torfmoose sind äußerst genügsam. Ihnen reichen sogar die wenigen Nährstoffe zum Wachsen aus, die im Regenwasser enthalten sind.

Nass wie ein Schwamm. Torfmoose können wie ein Schwamm große Mengen an Wasser speichern (Abb. 6). Das führt dazu, dass die Mooroberfläche viel nasser wird, als sie es normalerweise wäre.

Torf im Turbotempo. Und große Nässe fördert die Torfbildung. Vor allem die abgestorbenen Torfmoosteile tragen stark zur Torfbildung bei und beschleunigen sie.

Sauer und nicht lustig. Als wäre das alles nicht schon erstaunlich genug, sorgen Torfmoose außerdem dafür, dass das Moorwasser bald so sauer wie Essig wird. Viele Moorpflanzen finden das gar nicht lustig und verschwinden.

Aus Reich wird Arm. Im Moor haben die Torfmoose jetzt endgültig die Herrschaft übernommen. Auch ist nach vielen hundert Jahren die Torfdecke richtig dick geworden. Deshalb haben die letzten Moorpflanzen ihren Wurzelkontakt zum Moorwasserspiegel in der Tiefe verloren. Nur die allergenügsamsten Pflanzenarten, meist Zwergsträucher und Gräser, sind übrig geblieben. Sie kommen auch mit dem stark sauren Moorwasser zurecht. Ihnen steht jetzt nur noch das Wenige an Nährstoffen zur Verfügung, was nicht vom Torf festgehalten wird, und was die gierigen Torfmoose ihnen übrig lassen. Und natürlich das, was die Niederschläge mitbringen. Aus dem Zwischenmoor ist endgültig ein Armmoor geworden. Die starke Torfproduktion der Torfmoose führt dazu, dass sich das Moor allmählich aufwölbt.

Arm, ärmer, Regenwassermoor! Ein nährstoffarmes Moor kann sich sogar noch weiter entwickeln. Nährstoffarmut lässt sich nämlich noch steigern! Das geht aber nur in niederschlagsreichen und relativ kühlen Gegenden. Beispielsweise im küstennahen Tiefland von Niedersachsen.

Irgendwann, nach vielen Menschengenerationen, schafft es das Moorwasser im Armmoor nicht mehr, von unten durch den Torf bis zu den Pflanzenwurzeln aufzusteigen. Das Torflager ist mit einigen Metern dafür viel zu dick geworden. Ab jetzt haben die Moorpflanzen nur noch Regenwasser zum Wachsen zur Verfügung. Das Armmoor ist zum Regenwassermoor geworden. Ärmer als ein extrem nährstoffarmes Regenmoor kann ein Armmoor nicht mehr werden! Unter den Moorpflanzen triffst Du jetzt nur noch echte Hungerkünstler.



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