Ein Mensch kommt bei Nacht im Moor vom Weg ab, sinkt ganz langsam immer tiefer im Mooruntergrund ein, bis zuletzt nur noch eine Hand herausschaut - wer kennt nicht dieses beliebte Motiv vieler Grusel- und Horrorgeschichten? Sollte an der so dargestellten Gefährlichkeit des Moores nicht doch etwas Wahres dran sein? Schließlich kannst du in unseren Museen mehr als sechshundert Moorleichen besichtigen. Die Frage jedoch ist, ob es überhaupt möglich sein kann, dass man in einem Moor wirklich so sang- und klanglos versinkt. Was meinst du?
EPPNER 1935 zit. in GÖTTLICH 1990
Moore erschienen den Menschen offenbar schon immer als gefährliche, düstere, unheimliche und abweisende Landschaftsteile. Auch heute noch verursacht der Gedanke an Moorleichen, Irrlichter oder fleischfressende Pflanzen wie den Sonnentau bei vielen von uns ein mulmiges Gefühl.
Kopf des Mannes von Tollund (Dänemark), der vielleicht bekanntesten Moorleiche in Europa
© http://de.wikipedia.org/wiki/Tollund-Mann
Kopf der männlichen Moorleiche von Grauballe (Dänemark)
© Sven Rosborn (2008), Wikipedia
Inzwischen sind Moore wissenschaftlich recht gut erforscht. Hierdurch wissen wir, dass die verbreitete Überzeugung, Moore seien immer höchst gefährliche Orte, nicht ganz stimmen kann. Sie geht hauptsächlich auf maßlos übertriebene Darstellungen und phantasievoll ausgeschmückte Schilderungen von Poeten zurück.
Zweifellos ist es richtig, dass der Mooruntergrund mitunter trügerisch ist. Oft lässt er ein zügiges Gehen nicht zu. So wechseln sich in den meisten Mooren relativ feste Flächen kaum merkbar mit weichen Untergründen ab, die fast dünnflüssig sind. Manche Moorstellen kannst du deshalb nur unter großen Schwierigkeiten passieren. Dabei riskierst du dann ein EINsinken zu den Oberschenkeln, mindestens aber vollgelaufene Gummistiefel und nasse Hosenbeine. VERsinken kannst du an solchen Moorstellen jedoch nicht. Das völlige Untergehen eines Menschen im Mooruntergrund ist nämlich aus physikalischen Gründen gar nicht möglich. Näheres erfährst du im Teil "Das Phänomen aus physikalischer Sicht".
Welches sind nun aber die Stellen im lebenden Moor, die nur schwierig zu begehen sind? Es sind vor allem Torfmoos-Schwingdecken im Umfeld von größeren Moorseen und Kolken, offene Torfschlammflächen, die bachähnlichen Rüllen und Moorbereiche mit vielen nassen Einsenkungen, den Schlenken und Flarken.
Doch was ist mit all den Moorleichen in den Museen? Wir wissen heute, das diese Menschen, Männer wie Frauen, in den allermeisten Fällen vor sehr langer Zeit im Moor Gottheiten geopfert, hingerichtet, einem Verbrechen zum Opfer gefallen oder auch schlicht im Moor bestattet worden sind. Der Tod durch Versinken im Moor ist dagegen eine reine Phantasievorstellung.
Speziell in noch ungestört wachsenden Regenwassermooren ist das Gehen auf der Mooroberfläche gewöhnlich problemfrei. Man lernt nämlich rasch, kritische Stellen beispielsweise anhand der Veränderung des Pflanzenbewuchses zu erkennen und zu meiden. Allerdings sind die letzten wenigen Moore in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern heute Schutzgebiete, die nur mit besonderer Genehmigung betreten werden dürfen.
Bult-Schlenkenmosaik eines Regenwassermoores mit erodierten, torfschlammbeherrschten Schlenken im Vordergrund.
© Hans-Bert Schikora 2010 (Store Mosse, Südschweden)
Moorforscherin bei der Arbeit auf der Hochfläche eines ausgedehnten Regenwassermoores.
© Hans-Bert Schikora 2010 (Store Mosse, Südschweden)
Schwingrasen eines verlandenden Moorsees an der Grenze der Tragfähigkeit.
© Hans-Bert Schikora 2010 (Nästasjön/Värnamo, Südschweden)
Typische Schwingrasenausprägung am Ufer eines Moorkolks
© Hans-Bert Schikora 1994 (Endla-Moore, Estland)
Großer Komplex aus Moorkolken und ausgedehnten Schwingrasen. Im Vordergrund Falle zur Untersuchung wirbelloser Moortiere.
© Hans-Bert Schikora 1990 (Naturreservat Komosse, Südschweden)
Moorneulinge beim Versuch, im vollwüchsigen Regenwassermoor eine größere Schlenkenansammlung zu queren.
© Hans-Bert Schikora 2010 (Store Mosse, Südschweden)
Bergung von leichtsinnigen, im Torfschlamm eingesunkenen Studentinnen
© Hans-Bert Schikora 1991 (Naturreservat Komosse, Südschweden)